Wie Du die Beziehung zu deinen Mitarbeitern festigen kannst
Führungskräfte werden zunehmend abhängiger von Ihren Mitarbeitern. Diese sind meist fachlich kompetenter. Sie wissen und können das, was man zur Zielerreichung und Aufgabenerfüllung braucht – und so soll es ja auch sein. Doch viele Führungskräfte wollen das nicht wahrhaben. Es kommt für sie einem Statusverlust gleich, Mitarbeiter nach ihrer Meinung zu fragen – zumindest vertritt diese Ansicht Edgar Schein der US-amerikanischer Sozialwissenschaftler und Organisationspsychologe.
Führungskräfte sind mehr denn je auf die Kooperation mit ihren Mitarbeitern und einer gut funktionierenden Teamarbeit angewiesen. Hilfreich ist es deshalb, wenn Führungskräfte ihre Abhängigkeit von ihren Mitarbeitern anerkennen, akzeptieren und an einer vertrauensvollen Beziehung arbeiten.
Aber was passiert, wenn ein Mitarbeiter selbst brisant-wichtige Informationen nicht an den Vorgesetzten weitergibt. Vielleicht weil er in der Vergangenheit schlechte Erfahrungen gemacht hat und deshalb aus Angst, Frustration oder Gleichgültigkeit solche Informationen unterdrückt.
In früheren Zeiten haben die Herrschenden – laut entsprechender Berichte – die Überbringer schlechter Nachrichten ja sogar köpfen lassen. Diese Zeiten haben wir ja hoffentlich hinter uns gelassen – auch wenn ich hier manchmal so meine Zweifel habe. Und doch tun sich Mitarbeiter manchmal schwer, Ihren Vorgesetzten „kritische Rückmeldungen“ zu geben.
Ed Schein ist der Ansicht, dass insbesondere Fragen zu einer stabilen Beziehungsgestaltung beitragen können und zwar dann, wenn sie aus echtem Interesse und Neugierde heraus gestellt werden. Er bezeichnet diese Art des Fragenstellens als „Humble Inquiry“. In seinem Buch „Humble Inquiry: The Gentle Art of Asking Instead of Telling“ geht es um die Art, wie eine Führungskraft Fragen stellen sollte, damit ein Mitarbeiter sich öffnet und ein (in Anführungsstrichen) „ehrliches“ Gespräch über ein betriebliches Problem möglich wird.
Humble Inquiry lässt sich gar nicht so einfach übersetzen. Die eigentliche Bedeutung „demütiges Befragen“ also nicht „demutigendes“ sondern „demütiges“, d.h. die Demut ist auf der Seite des Fragenden – in unserer Betrachtung bei der Führungskraft – wirkt doch eher irritierend und befremdlich – „vorurteilsfreies Fragen“, „anerkennendes Fragen“ oder auch „behutsames Fragen“ trifft es vielleicht besser.
„Das Hauptproblem im Management ist die Kommunikation von unten nach oben“, schreibt Schein. „Den wichtigsten Beitrag, um Manager effektiv zu machen, können die Mitarbeiter mit Informationen von unten liefern.“
Zunächst einmal gibt es eine Reihe von Vorteilen eine „fragende“ Haltung einzunehmen:
Das Motto lautet also: Besser fragen, weniger sagen.
- Fragen werden – wenn sie ruhig und sachlich gestellt werden – kaum als Angriff aufgefasst, so dass jede Frage die Gefahr von „limbischen“ Reaktionen – also Angriff oder Verteidigung – verringert.
- Fragen aktivieren die Denk-Vorgänge, so dass eine vielleicht vorhandene Denk-Blockade über Fragen aufgelöst wird.
- Jede Frage stellt eine Art „Streicheleinheit“ dar. Sie zeigt Anerkennung und Respekt für den anderen. Sie vermittelt dem Gefragten, dass mich seine Informationen, seine Meinung, seine Situation interessiert. Fragen bauen so eine Brücke zum anderen und verhindern so ein „Aneinander-vorbei“ bzw. ein „Gegeneinander“.
- Fragen helfen die Beziehungsebene positiv zu gestalten und wieder zu verbessern. Nach dem bekannten Motto: „Die Qualität der Beziehung bestimmt den Sachertrag!“
- Wir können mit Hilfe von Fragen die Informationen des Gesprächspartners überprüfen und feststellen, ob Missverständnisse vorliegen.
- Und wir erfahren, welche Argumente und Sichtweisen der Mitarbeiter hat und welche Bedeutung die Informationen in Bezug auf unser Anliegen haben.
Denn Führungskräfte wissen vieles über ihre Mitarbeiter, kennen sie aber nicht.
Um das zu ändern, lohnt es sich Folgendes zu beachten:
1. Beziehungen wertschätzen
Es ist gut, wenn eine Führungskräfte sich immer wieder bewusst macht, dass ihre Mitarbeiter nicht nur von ihr, sondern dass auch sie von ihren Mitarbeitern abhängig ist. Fragen wie „Von wem bin ich abhängig?“, „Wer ist von mir abhängig?“, „Mit wem muss ich gute Beziehungen aufbauen, um die Kommunikation zu verbessern?“ „Wie kann ich ein vertrauensvolles Klima schaffen?“, „Welche vertrauensbildenden Maßnahmen kann ich umsetzen?“ helfen hier weiter.
2. Sich Zeit nehmen und mehr nachdenken
Führungskräfte sollten sich die Zeit nehmen, die Situation des Mitarbeiters zu verstehen, sich durch Zuhören ernsthaft für die Anliegen des Mitarbeiters interessieren und sich mit vorschnellen Urteilen oder Entscheidungen zurückhalten.
Wann ist es besser, Fragen zu stellen? Wann ist es eher angebracht, etwas zu erklären? Bevor man handelt, kann man sich selbst fragen: „Wie geht es mir jetzt in dem Gespräch mit dem Mitarbeiter?“, „Was geschieht hier?“, „Was wäre jetzt angebracht zu tun?“, „Was denke, fühle und will ich?“
Grundsätzlich sollten sich Führungskräfte Zeit nehmen für die Beziehungsgestaltung – z. B. in der Mittagspause mal einen gemeinsamen Spaziergang mit dem Mitarbeiter machen, gemeinsam zum Mittagessen gehen oder ein lockeres Gespräch bei einem gemeinsamen Kaffee.
Wenn die Beziehung erst einmal tragfähig ist, erledigt sich die Sacharbeit umso schneller.
3. Aufmerksam sein und eigenes Verhalten reflektieren
Oft bewerten wir eine Situation vorschnell – etwa als „stressig“, „anstrengend“ und „unangenehm“ – und übersehen dabei, welche weiteren Aspekte sie hat. Nicht immer treffen schnell gefasste Urteile zu. Deshalb helfen z.B. die Fragen „Was geschieht gerade noch?“, „Wie erlebt vermutlich der andere die Situation?“ nicht nur, um genauer nachzudenken, sondern auch flexibel zu reagieren, die Dinge anders zu sehen und vielleicht eingefahrene Denkmuster zu durchbrechen.
Ed Schein spricht hier von prozessorientierten Fragen nach dem Motto „Was passiert Ihrer Meinung nach gerade in unserem Gespräch?“, „Wie geht es Ihnen jetzt im Gespräch mit mir?“, „Wie ist Ihrer Meinung nach das Gespräch bis jetzt im Wesentliche gelaufen?“, „Sind wir auf dem richtigen Weg?“. Diese Fragen erzielen deshalb besondere Wirkung, weil sie auf die Beziehung selbst fokussieren und beide Beteiligte einzuschätzen lernen, wie sie sich gegenseitig wahrnehmen und wie viel Vertrauen schon aufgebaut ist.
Jedoch sind solche Fragen nicht Teil unserer normalen Führungsalltagskommunikation und deshalb irritierend. Sie sind auch für Führungskräfte schwer zu erlernen und schwer zu praktizieren. Aber sehr nützlich, weil sie den Gesprächspartnern erlauben, Luft zu holen und, wenn es sein muss, ihre Erwartungen aneinander neu zu definieren.
Wer langsamer wird, sein Tempo variieren kann, aufmerksamer wird, trainiert auch eine bestimmte Art des Nachdenkens, nämlich: gemeinsam zu reflektieren, was gerade passiert und was uns jetzt im Prozess weiterhilft?
4. Ed Schein empfiehlt auch noch „kulturelle Inseln zu schaffen“
Um in einem Team die notwendigen vertrauensvollen Beziehungen aufzubauen, werden die Teammitglieder zum Beispiel in Workshops zusammengebacht und die Kommunikation personalisiert. Dabei geht die Führungskraft am besten in Vorleistung. Sie erzählt etwas Persönliches über sich, zum Beispiel wie stark sie auf die Kooperation mit ihren Mitarbeitern angewiesen ist und schildert dies an einem konkreten Beispiel. Sie macht sich damit verletzbar. Ich spreche jetzt nicht von Lippenbekenntnissen!
Durch sukzessives Fragen, Antworten, Mitteilen und Anerkennen wird dann Vertrauen und Offenheit aufgebaut, so dass die Führungskraft die Frage stellen kann:
„Wenn ich als Führungskraft dabei bin, einen Fehler zu begehen, werden Sie mir das rechtzeitig mitteilen?“
An der Antwort lässt sich einschätzen, ob es gelungen ist, eine Atmosphäre des Vertrauens und der Sicherheit geschaffen zu haben, in der sich alle gegenseitig helfen und offen miteinander kommunizieren. Wenn es sich noch unangenehm anfühlt, kann die Frage folgen:
„Was müssen wir anders machen, damit wir an den Punkt kommen, an dem wir uns alle gegenseitig helfen?“
So das waren einige Gedanken zum Thema: „Wie ich mit Fragen die Beziehung zu meinen Mitarbeitern festigen kann.“
- Wie gehst Du in deinem beruflichen Zusammenarbeitsalltag mit dem Thema um?
- Welche Erfahrungen hast Du hier gemacht und was ist Dir gut gelungen?