Unsere Eltern als Kern-Team für unsere Entwicklung

Mit diesem Beitrag zum Thema Teamentwicklung möchten wir den Blick auf folgende Selbstverständlichkeiten lenken:

Für jeden von uns hat die eigene Team-Entwicklung (TE) schon längst begonnen. Jeder von uns wird nämlich in ein teamorientiertes Sozialsystem hineingeboren, das natürlich nur mehr oder weniger gut als Team funktioniert: Unsere Herkunftsfamilie. Manche sagen, der Teambegriff sei hier verfehlt, weil die Familie die natürliche, lebenslange soziale Kernzelle unserer Gesellschaft sei, während Teams ein viel späteres und kurzlebigeres soziales Kunstprodukt sind. Natürlich haben Familiensysteme andere Primärziele als Arbeits- oder Sportteams. Dennoch halten wir es für nützlich, gerade angesichts der strukturellen Destabilisierung der Familien, auch als Familie von den Erkenntnissen der Team-Forschung zu lernen.

Unsere These: Wenn sich Familien mehr als Teams verstehen und sich durch Gestaltung proaktiver Teamentwicklungsprozesse professioneller entwickeln würden, werden sich ihre Qualität und Überlebenschancen verbessern. Sonst droht auch hier das kritische Fazit: „Beruflich Profi, Privat Amateur“.

Team-Basis: Gemeinsame Ziele und Balance von Geben und Nehmen

Das uns betreuende Elternsystem, das ja in der Regel aus Mutter und Vater als Kernteam und gegebenenfalls aus Geschwistern und im Hintergrund Großeltern besteht, hat ein gemeinsames Team-Ziel, nämlich uns als Säugling und Kleinkind einen geschützten Lebens- und Entwicklungsraum zu geben – um im Alter oder in schwierigen Lebenssituationen einen gewissen Generationen-Schutz im „Schoß der Familie“ nehmen zu können. So jedenfalls sieht es der gesellschaftliche Generationenvertrag vor. Funktionierende Sozialsysteme müssen für eine „Balance von Geben und Nehmen“ sorgen, sonst fallen sie auseinander. Das gilt auch für alle Arten von Teams in Organisationen.

Natürlich sind die Ziele eines Liebespaar-Teams andere als die eines Eltern-Teams und noch wieder andere als die eines Sport- oder Arbeits-Teams – die teamqualifizierenden Merkmale lassen sich jedoch auf alle diese Sozialsysteme mehr oder weniger gut übertragen. Ob wir als Säugling in eine ansprechende Teamatmosphäre hinein geboren werden, hängt auch davon ab, ob das Paar seine aktuell wichtige TE-Herausforderung erfolgreich bewältigt hat: den Schritt vom Liebespaar-Team zum Eltern-Team.

Typische Phasen in der Entwicklung von Teams

Dabei ist es normal, wenn ein Team bei wesentlichen Veränderungen (die Ziele des Teams ändern sich oder ein neues Teammitglied kommt hinzu oder …) immer wieder typische Phasen durchläuft:

I. Forming

Vorabsprachen zur Mitarbeit in einem Team; Kennenlernen der Team-Ziele und der anderen Teammitglieder (z.B. in einem Kick-Off-Meeting; Verabredung allgemeiner Spielregeln zur Regelkommunikation; vorsichtig-höfliches Abtasten und Anwärmen; formale Beschreibung der unterschiedlichen Rollen im Team, …)

II. Storming

Die unterschiedlichen Kommunikationsstile, Wertesysteme, Denkstrukturen, Arbeitsrhythmen, Priorisierungen, Spezialkompetenzen, Heimatkulturen etc. werden deutlich und treffen aufeinander; unter Zeit- und Ergebnis-Druck oder persönlichem Stress brechen erste Meinungsverschiedenheiten, Rivalitäten, Konfrontationen, Konfliktsituationen auf; nach dem Abtasten kommt es jetzt auch zum Schlagabtausch und Nahkampf; die Berührungsängste werden überwunden und man kommt sich näher und lernt sich persönlicher kennen, findet sich sympathisch oder unsympathisch etc.

III. Norming

Es werden zielführende Spielregeln für Zusammenarbeit und Führung verabredet; es werden Prozesse definiert zum Umgang mit Störungen; Maßnahmen zur Vorbeugung von Konflikten, wie regelmäßige Prozessreflexionen, werden eingeführt; die Vermittlungs- oder Sanktionsaufgaben der Führung werden konkretisiert und eingefordert; die unterschiedlichen Stärken und Spezialitäten und möglichen Schwächen der einzelnen Teammitglieder werden gewürdigt und ins Bewusstsein aller gebracht

IV. Performing

Erst wenn alle Teammitglieder ihren Platz im gemeinsamen Team-Boot gefunden haben, jeder seinen spezifischen Beitrag zur Zielerreichung kennt, die Unterschiede und Dynamiken im Team zielführend balanciert sind und sich die passenden Führungsmuster eingespielt haben, kann das Team sein mögliches Leistungspotential ausspielen: „Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile“, „1+1=3“ …

Für Teammitglieder ist es oft hilfreich, wenn sie dieses Phasenmodell im Hinterkopf haben, besonders wenn sie frustriert sind über neuerliche Storming-Phasen und diese lediglich frustriert als Rückfall erleben. Storming-Phasen sind immer Ausdruck bisher nicht genügend berücksichtigter Bedürfnisse im Team und können deshalb als Chance für einen nächsten Team-Verbesserungs-Schritt genutzt werden.

Balance von Differenzierung und Integration

Es handelt sich um ein idealtypisches Entwicklungs-Modell hin zur Hochleistung. In der Realität von Teamentwicklungs-Prozessen finden wir meist einen regelmäßigen Wechsel von Integrations- (Forming, Norming) und Differenzierungs-Phasen (Storming, Performing). Diese spiegeln die beiden sozialen Grundbedürfnisse des Menschen nach Zugehörigkeit einerseits und individuellem Wachstum (und Einzigartigkeit) wider. Auch diese Gegenpole müssen in Teams balanciert werden, sollen sie erfolgreich sein.

Natürlich kennen Paar- und Elternsysteme solche Phasen und müssen diese immer wieder bewältigen, aus ihnen lernen und nützliche Routinen und Rituale ableiten, wollen sie nicht im „Sturm Schiffbruch erleiden oder sogar untergehen“. Die meisten Kinder erleben also schon sehr früh diese Phasen der Teamentwicklung emotional mit. Und wenn sie in ihrem Elternhaus erfahren haben, dass Konfliktsituationen zwar bedrohlich wirken können, aber auch immer wieder überwunden und von ihren Eltern als weiter- und zusammenführende Entwicklungsimpulse genutzt werden, dann können sie schon früh günstige emotionale Teamkompetenzen entwickeln. Dennoch bleibt unser Leitsatz: „Im Feuer des Storming wird das Schwert des Performing geschmiedet“ eine ständige Herausforderung für alle Teams.

Weitere Teamerfahrungen als Kinder, Jugendliche und Erwachsene

Neben diesen frühkindlichen emotionalen Resonanzerfahrungen und dem Lernen am Modell ihrer Eltern, bereiten wir uns als Kinder und Jugendliche im Zusammenleben und -Spiel mit unseren anderen Sozialpartnern mehr oder weniger gut auf das Zusammenspiel in Teams vor:

  • mit unseren Geschwistern und Freunden,
  • mit Mitschülern in Klassengemeinschaften, Arbeitsgruppen, Sportteams, Jugendgruppen,
  • in eigenen Liebespartnerschaften,
  • in beruflichen Arbeitsgruppen und Projektteams.

Schon bevor wir unseren TE-Workshop beginnen, haben also alle unsere Teilnehmer mehr oder weniger gut wichtige Teamkompetenzen entwickelt und trainiert.

Wir halten es für nützlich, wenn Führungskräfte über möglichst viele TE-Kompetenzen verfügen. Denn eine teamorientierte Führungsorganisation und ein entsprechender Führungsstil dürfte passend sein für viele der Herausforderungen, die zukünftig von Führungskräften bewältigt werden müssen (wie Flexibilisierung der Aufgabenbewältigung, Gestaltung von Veränderungsprojekten, Führung virtueller und internationaler Arbeitsgruppen etc.) – alles Kompetenzen, die nützlich sind für die sog. „Laterale Führung“, also Führung ohne direkte hierarchische Macht.

Quelle: mtt-Werkstattberichte: Die weichen Faktoren der Führung, Teil I + II

 

Wenn Sie einen TE-Workshop mit Ihrer Mannschaft planen – freuen wir uns über Ihre Kontaktaufnahmen!

 

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